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  Daedalic Entertainment

Daedalic Entertainment: Diversität in Spielen

Interview mit Maria Lesk, Localization Director

 

Welche Rolle spielt dabei Diversität in eurem Unternehmen und euren Teams und wie lebt ihr sie?

 

Diversität ist bei Daedalic ein wichtiges Thema. Natürlich können auch wir jeden Tag noch etwas dazulernen und Dinge verbessern. Dennoch sind einige Herangehensweisen bei uns schon in Fleisch und Blut übergegangen. So wird jedes neue Daedalic-Mitglied direkt am ersten Tag per Mitarbeiterleitfaden darauf hingewiesen, dass wir jegliche Diskriminierung oder Benachteiligung nicht hinnehmen. Wir haben einen Verhaltenskodex, verweisen auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) und machen auf Maßnahmen sowie Beschwerdestellen bei einer Benachteiligung oder Belästigung aufmerksam.

 

Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts, der Herkunft, der Hautfarbe, der Religion, des Alters, einer Behinderung, der sexuellen Ausrichtung und/oder Identität sind hier nicht geduldet. Sollte dennoch ein unüberlegter Kommentar im Alltag fallen, kann man darauf vertrauen, von Menschen umgeben zu sein, die so ein Verhalten ankreiden und kritisieren werden. Niemand ist perfekt und Humor ist auch Geschmackssache, aber sollte jemand ernsthaft beleidigt werden, wird das Gespräch mit entsprechenden Konsequenzen in der Personalabteilung weitergeführt.

 

Bei uns fühlen sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sicher genug, um offen über ihre sexuelle Identität zu sprechen und diese auch auszuleben. Führungspositionen werden bei Daedalic außerdem ganz klar nach Leistung besetzt und nicht nach Geschlecht.

 

 

Spielt Diversität auch in euren Spielen eine Rolle und wenn ja, wie versucht ihr, sie in euren Titeln aufzugreifen?

 

Ja, in gewisser Weise schon. Unser eigenes In-House-Portfolio hat viele Spiele hervorgebracht, die beispielsweise charakterstarke, weibliche Hauptfiguren haben. Zum Beispiel in unserem Spiel „A Year of Rain“ werden starke Frauen, gleichgeschlechtliche Beziehungen, unterschiedlicher Glaube und unterschiedliche Herkunft mühelos in die Geschichte eingebunden.

 

Wichtig ist jedoch, dass diese Charaktere und Storylines auf organischem Schreiben basieren und nicht erzwungen werden. Viele unserer Autorinnen und Autoren entscheiden über Geschlecht oder Hautfarbe der Charaktere im Sinne der guten Story, weniger nach einer Quote. Wir nehmen im Allgemeinen eher Rücksicht auf die Story als auf einen Verkaufstrend.

 

 

Gibt es konkrete Vorgaben oder Prozesse, die in der Entwicklung bei euch intern dafür berücksichtigt werden sollen, damit die Spielinhalte divers werden?

 

Jein. Es liegt unseren Autorinnen und Autoren kein Kodex vor, der ihnen vorgibt, woran sich alle Geschichten zu halten haben. Im Endeffekt kommt es aber auf den kollektiven gesunden Menschenverstand an, den unser Writer’s Room besitzt. Meistens haben wir einen bis zwei Autorinnen und Autoren beziehungsweise narrative Designerinnen und Designer auf einem Projekt und gerade bei unseren storybasierten Spielen ist die Geschichte der Dreh- und Angelpunkt und daher besonders wichtig und schon früh vorhanden. Unsere Autorinnen und Autoren tauschen sich gegenseitig aus und bekommen auch Einfluss von außen in Form einer externen Skriptdoktorin, die auf eventuelle Missstände aufmerksam macht. Zusätzlich können unsere diversen Teams jederzeit Kritik äußern und Einfluss nehmen. Wir folgen also keinem Prozess oder Ablaufplan. Unsere Autorinnen und Autoren schreiben gute Geschichten, die eine vielschichtige Welt und diverse Charaktere von Natur aus beinhalten. Natürlich machen dies manche unserer Spiele besser als andere, einfach weil sich unsere Schreiberinnen und Schreiber in ihren Geschichten ausdrücken und individuell arbeiten. Wir können jedoch sagen, dass unsere In-House-Autorinnen und -Autoren allesamt darauf achten, außergewöhnliche Welten und komplexe Charaktere zu kreieren.

 

 

Gab es für eure diversen Spielcharaktere bisher nur Lob aus der Community oder wurdet ihr von den Spielerinnen und Spielern hierfür kritisiert?

 

Wir haben schon viel Kritik bekommen, vor allem für die „Deponia“-Reihe. Generell scheiden sich die Geister über den Humor des Spiels und den Hauptcharakter Rufus, aber besonders der vierte Teil der Reihe hat für viel Gegenwind gesorgt. Ein Hauptcharakter, der darauf ausgelegt ist, ein Ekel für seine gesamte Umwelt und fürchterlich unausstehlich zu sein, eckt logischerweise an, denn das ist gewollt. Zu kritisieren, wie diskriminierend er mit seiner Umwelt und seinen Mitmenschen umgeht, ist schließlich auch ein Ziel der Geschichte und soll ein Spiegel sein. Dass sich viele aber über die ein oder andere Szene im Spiel beschweren, ist meiner Meinung nach verständlich und war vorhersehbar. Am Ende liegt es in der Entscheidung der Autorinnen und Autoren, dieses Risiko einzugehen und diesen Diskurs anzustoßen.

 

 

Wenn Kritik kam: Wie seid ihr damit umgegangen?

 

Wir sind dabei immer offen in die Kommunikation gegangen. Besonders wichtig ist es, dass sich dabei die Autorinnen und Autoren selbst zu Wort melden und im Zweifelsfall erklären, was sie sich bei einer bestimmten Szene oder einem bestimmten Charakter gedacht haben, und so eventuell für ein wenig Aufklärung sorgen. Wir finden Kommunikation in so einem Fall unendlich wichtig, da wir Kritik ernst nehmen und hören. Dennoch kann man einfach nicht jede Geschichte jedem Publikum recht machen und es wird immer negative Stimmen geben. Wichtig ist dabei aber, klarzustellen, dass wir als Unternehmen keine sexistische oder rassistische Message verbreiten wollen.

 

 

Welche Erfahrungen könnt ihr anderen Unternehmen der Games-Branche mit auf den Weg geben, wenn sie sich dem Thema Diversität widmen möchten?

 

Immer die Meinungen der Minderheiten einholen. Nicht aus dem eigenen Privileg heraus entscheiden, dass man „doch eigentlich genug macht“, sondern die betroffenen Minderheiten fragen, was verbessert werden kann und ob sich jeder sicher und gehört fühlt. Zudem ist es wichtig, nichts zu erzwingen, weder im Personal- noch im Spielebereich. Kommunikation, Kompromisse und Empathie sind ausschlaggebend.