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devcom: Safe Spaces auf Events

Interview mit Astrid Gooding, Key Account Manager und Women in Games Ambassador
 

Safe Spaces – oder Schutzräume – sind eine sichere Umgebung, in der Menschen sich geschützt und frei von Diskriminierung und Vorurteilen fühlen sollen. Die Umsetzung von Schutzräumen im beruflichen Alltag kann auf verschiedenen Ebenen stattfinden. Das kann etwa ein physischer oder digitaler Rückzugsort sein, an dem man sich mit Vertrauenspersonen treffen kann. Oder es können verschiedene Richtlinien wie Anti-Harrasment-Policys oder Safe-Space-Policys eingeführt werden, um Verhaltensregeln für eine sichere Umgebung zu etablieren.
 
Auch auf Veranstaltungen, wo viele Menschen unterschiedlichster Hintergründe sich treffen, sollte eine positive Erfahrung für alle Teilnehmenden gewährleistet werden – etwa, in dem von Anfang an Safe Spaces geplant werden. Wie das gelingt, haben wir im Interview Astrid Gooding gefragt, Women in Games Ambassador und Key Account Manager bei devcom (#ddc), das offizielle Entwickler Event der gamescom und Europas größte Community-basierte Branchenkonferenz für Spieleentwickler.
 
Warum sind Safe Spaces auf Events wie Konferenzen, Messen und Co. wichtig?
 
Grundsätzlich sind Menschen soziale Wesen und fühlen sich in Gesellschaft am wohlsten. Wir wollen gehört, gesehen und akzeptiert werden, uns in unserer Umgebung sicher fühlen und frei ausdrücken. So sehr wir uns auch wünschen, dass Werte wie Toleranz und Offenheit von allen Menschen gelebt werden, ist das in der Realität leider nicht immer der Fall, und vor allem Minderheiten und Randgruppen werden häufiger diskriminiert, belästigt, verfolgt oder ausgeschlossen.
 
Im Privatleben kann ich selbst entscheiden, ob ich mich einer eventuell unangenehmen Situation aussetzen möchte, in der ich möglicherweise Diskriminierung und Ausgrenzung erfahre, oder die zum Beispiel Panikattacken und Angstzustände auslösen könnte. Im Berufsleben ist das aber nicht immer so einfach, da mein Job vielleicht den Besuch von Events wie Messen und Konferenzen erfordert.
 
Safe Spaces, oder viel mehr Safer Spaces, sind also immer dann wichtig, wenn mehrere Menschen an einem Punkt zusammentreffen. Das kann physisch sein wie bei Veranstaltungen, aber auch rein virtuell, wie bei Online-Foren. Safer Spaces geben Menschen einen Raum, in dem sie sich nicht selbst erklären müssen, und bieten Unterstützung für Betroffene.
 
devcom hat es sich zur Aufgabe gemacht, eine angenehme und inklusive Erfahrung für alle Teilnehmenden der Konferenz zu bieten. Wie sorgt ihr für sichere Räume und ein positives Erlebnis vor Ort?
 
Ein wichtiger, wenn nicht sogar der wichtigste Bestandteil, ist unsere Anti-Belästigungsrichtlinie oder „anti-harassment policy“, die verpflichtend für alle Teilnehmenden unserer Veranstaltungen und Online-Angebote gilt, und deren Einhaltung sogar Vertragsbestandteil ist. Ihr stimmen alle zu, die ein Ticket erwerben.
 
Zusätzlich bieten wir physische Rückzugsorte, Safer Spaces, an, wie beispielsweise den „Room of Silence“, in dem man sich verkrümeln kann, wenn es einem mal zu viel wird, oder den „Parents Room“, der für Eltern mit Babys und Kleinkindern ausgestattet ist. Das klingt erstmal nach ungewöhnlichen Safer Spaces. Sie sind aber genauso wichtig, wenn es um das Thema Inklusion geht.
 
Safer Spaces finden als Thema auch in unserem Konferenzprogramm statt. Mit dem „FLINTA* Meetup“ hatten wir bei der devcom Developer Conference 2022 ein mehrstündiges Programm, dass sich speziell an Frauen, Lesben, intersexuelle, nicht-binäre, trans und agender Personen gerichtet hat, also Gruppen, die häufiger Diskriminierung, Hass und Ausgrenzung erfahren. Mit unserem „Call for Change Summit“, der nun als fester Bestandteil der devcom Developer Conference stattfindet, erweitern wir unser Awareness-Angebot dahingehend noch zusätzlich.
 
Bei unseren Abendveranstaltungen, wie der „Developer Night Party“, arbeiten wir außerdem mit „Awareness Guards“ zusammen. Das sind Personen, die eine spezielle Ausbildung als Erstbetreuer*innen erhalten haben, um zum Beispiel Betroffene von Gewalt, sexueller Belästigung oder auch (unfreiwilligem) Drogenkonsum, psychologisch zu betreuen.
 
Zu guter Letzt haben wir natürlich auch ein anonymes Formular, über das man Beschwerden, Beobachtungen oder Vorkommnisse an uns melden kann. Wir gehen jeder Meldung nach und benachrichtigen die einreichende Person, sofern Kontaktdaten angegeben wurden, über den aktuellen Bearbeitungsstatus.
 
Die devcom findet als hybrides Event statt. Wie gewährleistet ihr eine sichere Erfahrung bei euren digitalen Formaten?
 
Auch die Teilnehmer*innen unserer digitalen Formate verpflichten sich zur Einhaltung unserer Anti-Belästigungsrichtlinie. Die öffentlichen Chats in unserer Event-App, unser Twitch-Channel sowie unser devcom Discord Server sind zudem moderiert. Jeder Online-Aussteller bei uns hat einen eigenen Chat-Channel im Showcase, der grundsätzlich durch den Aussteller selbst moderiert wird. Während der Veranstaltungsdauer überprüfen wir stichprobenmäßig auch diese Chats.
 
Die Konferenz wird von Tausenden Menschen aus aller Welt besucht. Wie kann ein Event dieser großen Vielfalt an Besucherinnen und Besuchern gerecht werden?
 
Können wir nicht, aber wir geben unser Bestes! Mit der Koelnmesse und dem Koelncongress haben wir zudem einen starken Partner an unserer Seite, der versucht vieles mit uns umzusetzen und im Rahmen der deutschen Gesetzeslage möglich zu machen. Ein gutes Beispiel wären hier, neben den bereits erwähnten Maßnahmen, zum Beispiel die Gebetsräume, die natürlich auch während der Konferenz geöffnet sind und unseren Teilnehmenden zur Verfügung stehen. Auch konnten wir zum Beispiel das vegane Catering-Angebot erweitern. Ich weiß, das klingt auf den ersten Blick nach Kleinigkeiten, aber für unsere Besuchenden macht das einen echten Unterschied aus. Grundsätzlich sind wir in ständiger Abstimmung mit unseren Veranstaltungspartnern, um das Angebot auf allen Ebenen zu erweitern und zu verbessern.
 
Welche Tipps könnt ihr anderen Veranstaltern und Unternehmen der Games-Branche mit auf den Weg geben?
 
Falls noch nicht vorhanden: Legt eine Anti-Belästigungsrichtlinie fest und macht diese verpflichtend für alle Teilnehmer*innen und Anwesenden – also auch möglichen Drittanbietern, mit denen ihr zusammenarbeitet. Das heißt zwar leider nicht, dass sich jeder daran halten wird, aber gibt euch Handlungs- und Aktionsspielraum, in unangenehmen Situationen reagieren zu können.
 
Sprecht mit anderen Veranstaltern und teilt eure Erfahrungswerte und „best practice“- Beispiele – es ist völlig in Ordnung, dass man selbst nicht immer an alles denkt und alles auf dem Schirm hat. Ich bin eine weiße Cis-Frau, aber ich bin keine Mutter – ich hatte viele (Berufs)Jahre lang gar nicht daran gedacht, dass zum Beispiel ein „Parents Room“ auch bei unseren Veranstaltungen sinnvoll ist, da wir jedes Jahr eine geringe Anzahl von berufstätigen Eltern unter den Teilnehmenden haben, die einen Rückzugsort zum stillen/füttern oder wickeln sehr zu schätzen wissen.
 
Am allerwichtigsten ist aber ganz sicher der Austausch mit den Teilnehmenden! Bei mehreren Tausend Besuchenden im Jahr, haben wir also fast genauso viele individuelle Erfahrungswerte und Erlebnisse während der #ddc. Dank dem Feedback vor Ort und in unserer anschließenden Umfrage wissen wir zum Beispiel, dass unsere Pronomen-Aufkleber im letzten Jahr ein großer Hit waren. Das ist eine klitzekleine Kleinigkeit, hat aber enorm dazu beigetragen, dass sich transgeschlechtliche und nicht-binäre Personen willkommen, gesehen und ernstgenommen gefühlt haben. Und ich habe selbst das ein oder andere Gespräch mitbekommen, dass unter den Teilnehmenden aufgrund der Aufkleber entstanden ist. Solche kleinen Dinge können einen enormen Unterschied für Event- Besucher*innen ausmachen, obwohl sie für uns als Veranstalter manchmal so nebensächlich scheinen.

Online-Disclaimer zum Dokument:

Bei dem hier angebotenen Dokument „Safe Space Policy“ handelt es sich um keine Rechtsberatung durch den game. Das Dokument kann kostenfrei heruntergeladen, angepasst und genutzt werden. Der game übernimmt keine Haftung.