Ideen auf Abruf – Frauen an den Schalthebeln
Die Hamburgerin Kathleen Kunze gehört zur ersten Generation an Entwicklerinnen für Computer- und Videospiele in Deutschland. Jung, weiblich, technikbegeistert – noch sind Frauen in der Minderheit. Doch es werden mehr. Und das wird die digitale Spielebranche verändern.
Dass Lara Croft neuerdings bequeme Cargohosen statt Hot Pants trägt, kann auch daran liegen, dass ihr neuester Action-Einsatz von einer Frau entwickelt wurde: Rhianna Pratchett, Tochter des Fantasy-Schriftstellers Terry Pratchett, ist die Hauptautorin des jüngsten “Tomb Raider”-Abenteuers. Sie leitet als kreativer Kopf das Entwicklungsteam in einer Branche, die lange Zeit als sicherer Hafen für Nerds und spätpubertierende Programmierer galt.
Nur wenige Mitstreiterinnen
Wenn Kathleen Kunze morgens zur Arbeit radelt, hat sie die Hamburger Hafengebiete immer im Blick. Ihre Firma InnoGames, 300 Mitarbeiter stark, befindet sich in einem frisch renovierten Gebäude im zentralen Stadtteil Hammerbrook. Die 35-jährige ist Game Designerin. Sie entwickelte etwa das Browser-Aufbauspiel “Lagoonia”, in dem es darum geht, aus einer einsamen Südseeinsel Schritt für Schritt ein Paradies zu machen. In ihrem letzten Job arbeitete sie an dem PC-Spiel „Die Siedler – Aufbruch der Kulturen” mit. Seit elf Jahren ist die junge Hamburgerin schon im Geschäft, bis heute hat sie nur wenige Mitstreiterinnen. Der weibliche Anteil in der Spiele-entwicklung liegt bei InnoGames wie in vielen anderen Unternehmen der Branche weit unter zehn Prozent. Jetzt sitzt sie in einem Büro, in dem sich überlebensgroße Spielfiguren tummeln. Neben ihrem Schreibtisch liegen Jonglierbälle griffbereit, Akrobatik ist ihre bevorzugte Freizeitbeschäftigung. Ihren Arbeitsalltag bezeichnet sie dennoch als “ganz normalen Achtstunden-tag”. Am Arbeitsplatz verbindet sie Spielfreude mit konzentrierter Disziplin.
Erfindungsgabe und Mathematik
Ihre Aufgabe ist es, die Regeln und konkreten Inhalte eines Spiels festzulegen. Was sie genau tut, erklärt sie am Beispiel eines Schachspiels: “Das Spiel findet auf einem quadratischen Brett mit weißen und schwarzen Flächen statt. Dazu kommen weiße und schwarze Figuren. Man bestimmt die Anzahl der Flächen, die Formen und Funktionen der Figuren und mit welchen Zügen man das Spiel gewinnt. Das Game Design ist das Regelwerk.” Da sei viel Kreativität gefragt. Und die müsse wie “auf Knopfdruck funktionieren”, erläutert Kathleen Kunze. “Wenn gesagt wird, wir haben eine Stunde Zeit, dann muss auch nach einer Stunde etwas auf dem Papier stehen.“ Worauf es sonst noch ankommt? „Man sollte sich gut schriftlich ausdrücken können. Denn man schreibt viele Texte, etwa die detaillierten Arbeitsanweisungen für die Programmierer. Man braucht auch eine Affinität für Mathematik. Bei digitalen Spielen dreht sich alles um Zahlenwerte.”
Chipstüten und Cola
Kathleen Kunze hat sich schon immer für Computer interessiert. Als Kind spielte sie “Super Mario Bros.” und “Prince of Persia”, später studierte sie Medieninformatik in Furtwangen, lernte programmieren und mit 3-D-Umgebungen umzugehen. Game Design war damals noch kein Studienfach. Ideen tauschte man auf LAN-Partys aus. „Da trafen sich ein paar “Nerds” mit Chipstüten und Cola und hauten sich ein paar Nächte um die Ohren, um ein Spiel zu entwickeln”. Das war für Kathlenn Kunze der Beginn. Auch wenn Frauen in der digitalen Welt zu jener Zeit noch ziemlich schräg angeschaut wurden. Nur vier Kommilitoninnen befanden sich unter den insgesamt 50 Studierenden. Inzwischen hat sich nicht bloß die digitale Spielebranche professionalisiert. Heute ist auch jeder zweite Spieler eine Spielerin: “Es ist wirklich nicht mehr so wie früher”, stellt sie fest. Müssen Computer- und Videospiele für Frauen anders gestaltet sein? Kathleen Kunze braucht nicht lange überlegen: “Frauen und Mädchen spielen weniger wettbewerbsorientiert. Ihnen geht es mehr darum, etwas aufzubauen und zum Laufen zu bringen, weniger darum, sich mit anderen zu messen. Frauen spielen sozialer.“
Frauen sind gefragt
Auch deshalb sind Frauen als Spieleerfinderinnen zunehmend gefragt. Die private “School for Games” in Berlin-Friedrichshain bietet seit Oktober 2011 Abschlüsse in “Game Development”, “Game Engineering” und “Game Graphics” an. Dabei erlebte sie einen regelrechten Ansturm weiblicher Bewerber. „Diese Entwicklung ist auch für uns erstaunlich“, sagt Geschäftsführer Felix Wittkopf. Schon im ersten Studienjahr lag der Anteil der Studentinnen bei rund 40 Prozent. In diesem Herbst werden Frauen gut die Hälfte der Studierenden stellen. Zu ihnen gehört auch Linda Meinel. Die 23jährige hat hier einen Studienplatz für “Game Graphics” ergattert. Nach der Ausbildung möchte sie im “3-D-Art”-Bereich Gebäude und Charaktere modellieren und in der Konzeption tätig sein: “Der Gedanke ‚Computer- und Videospiele sind doch nur etwas für Männer‘ gehört endgültig in den Mülleimer der Geschichte”, sagt sie.