game Themenservice: Gründerwoche

Unternehmer beim Handshake

Fokus Gründerwoche: Wachstumsmotor deutsche Computer- und Videospielbranche

Digitale Spiele sind wichtiger Bestandteil unserer Kultur und zugleich zentraler Wachstumsmarkt der deutschen Digitalwirtschaft. Gerade junge Unternehmer schreiben hierzulande beeindruckende Erfolgsgeschichten. Allerdings bleibt noch viel Potenzial ungenutzt – die Rahmenbedingungen für deutsche Spiele-Unternehmen müssen weiter verbessert werden.

 

Der zunehmende kulturelle Einfluss von digitalen Spielen wird in Zukunft vor allem an einem Ort unübersehbar werden: im Kino. War es vor Jahren noch üblich, dass Erfolgsproduktionen aus Hollywood zusätzlich mit einem Computer- oder Videospiel bedacht wurden, wird dies in vermehrten Maß in umgekehrter Form die Regel. Filmableger von erfolgreichen Spielemarken wie „Assassin´s Creed“, „Mass Effect“, „World of Warcraft“ oder „Watch Dogs“ und auch von mobilen Hits wie „Temple Run“ und „Angry Birds“ sollen mit namhaften Regisseuren und opulentem Produktionsaufwand die Leinwände erobern.

 

Damit werden digitale Spiele sichtbar zum Leitmedium einer neuen und transmedialen Welt, haben Film und Fernsehen längst hinter sich gelassen. 76 Milliarden US-Dollar wurden 2013 weltweit von der Spieleindustrie umgesetzt. Laut der Unternehmensberatung PricewaterhouseCoopers (PwC) wird das Wachstum weiter anhalten: Noch im Jahr 2016 seien 83 Milliarden US-Dollar Umsatz zu erwarten. Die Erfolgsgeschichte der Computer- und Videospiele kommt nicht von ungefähr: Ob auf dem PC, Smartphone, Tablet oder der Spielekonsole – überall und in allen Altersgruppen wird gespielt.

Unternehmen mit Browser- und Mobilspielen auf die Erfolgsspur

Deutschland gehört weltweit zu den attraktivsten und wichtigsten Absatzmärkten für Computer- und Videospiele. Alle internationalen Branchengrößen sind hierzulande vertreten. Im umkämpften Markt der Browser-Spiele und der boomenden Mobilspiele für Smartphones und Tablets haben auch heimische Unternehmen wie Wooga, Gameforge, InnoGames, Upjers oder Goodgame Studios sichtbare Erfolge erzielt. Häufig erst vor wenigen Jahren gegründet, gehören sie zu den erfolgreichsten und wachstumsstärksten Unternehmen der deutschen Digitalwirtschaft. Sie haben sich von aufstrebenden Start-ups zu international führenden Anbietern von digitalen Spielen entwickelt und sich gar, wie auch Koch Media beziehungsweise dessen Tochterunternehmen Deep Silver, als weltweit geachtete Größen etabliert.

 

Grundlage des Erfolgs vieler deutscher Unternehmen ist ihre Fähigkeit, sich schnell neuen Trends und wandelnden Nutzervorlieben anzupassen. „Seit der Gründung 2009 können wir auf ein stetes Wachstum von Umsatz und Gewinn zurückblicken“, sagt beispielsweise Christian Wawrzinek, Mitgründer des erfolgreichen Mobil- und Browserspiel-Anbieters Goodgame Studios. Die Firma zählt mittlerweile über 1.000 Angestellte und weltweit über 230 Millionen registrierte Spieler, die ihr im ersten Halbjahr 2014 rund 98 Millionen Euro Erlös einbrachten. „Wir achten sehr auf Nachhaltigkeit, verfolgen langfristige Ziele und handeln nicht kurzfristig oder von Investoren getrieben“, beschreibt Wawrzinek das Erfolgsrezept des Unternehmens, das im kommenden Jahr mehr als 100 Mitarbeiter in allen Unternehmensbereichen rekrutieren möchte. Der Hamburger Spieleentwickler wurde erst kürzlich mit dem Deloitte Technology Fast 50 Award als Deutschlands am schnellsten wachsendes Technologieunternehmen ausgezeichnet.

 

„Vor allem die steigende Verbreitung von Smartphones und Tablets trägt zum Wachstum des mobilen Spielemarktes bei“, bestätigt auch Wiebe Stubbe, Business Analyst vom Hamburger Online- und Mobilspiele-Entwickler InnoGames, der 130 Millionen registrierte Spieler und Spielerinnen zählt. InnoGames beschäftigt inzwischen rund 350 Mitarbeiter. Das Unternehmen möchte andere Gründer unterstützen. Hierzu wurde innerhalb der Büroräume ein eigenes Gründerzentrum, der InnoHub, gegründet. Dort können junge Entwickler und Unternehmer vom Wissen und von den Erfahrungen der InnoGames-Belegschaft profitieren.

 

Ebenfalls auf eine Erfolgsgeschichte darf der auf klassische PC- und Konsolenspiele spezialisierte Publisher Kalypso Media zurückblicken. „Im Sommer 2006 gegründet, verfügen wir mittlerweile über drei eigene Studios und Niederlassungen in Deutschland, Nordamerika und Großbritannien“, erklärt Stefan Marcinek, Gründer des Wormser Unternehmens, das für die traditionsreichen Strategie- und Wirtschaftsspiele „Patrizier“, „Tropico“ und „Port Royale“ bekannt ist. „Wir sind gewachsen, haben uns entwickelt und mit Bedacht ausgebaut. Dadurch haben wir nun rund 120 Mitarbeiter und erzielen als Gruppe einen mittleren zweistelligen Millionenumsatz.“

„Wenn ich bedenke, dass um ein Vielfaches höhere Gelder für den Filmbereich bereitgestellt werden als für Spiele, aber ich auf der anderen Seite berücksichtige, dass für einen Großteil gerade der jüngeren Bevölkerung Spiele mittlerweile als Kulturträger die zentrale Rolle einnehmen, dann habe ich schon das Gefühl, dass das ganze System nicht wirklich auf die aktuellsten demografischen und kulturellen Entwicklungen eingestellt ist.“ -Ralph Stock, CEO von Quadriga Games, Promotion Software GmbH sowie Serious Games Solutions GmbH und Preisträger des Deutschen Computerspielpreises 2013 für das Serious Game „Menschen auf der Flucht“

Förderbedarf für heimische Entwickler

Es sind insbesondere Nachwuchsstudios und -teams, die in Deutschland Mut zu Risiko und Innovation beweisen. Darunter der Frankfurter Entwickler Deck13, der einst mit der Abenteuerreihe „Ankh“ bekannt wurde und im Oktober 2014 mit „Lords of the Fallen“ gemeinsam mit Koch Media einen international beachteten Action-Titel veröffentlichte. „Es hat in den letzten Jahren bereits eine starke Professionalisierung der deutschen Branche stattgefunden“, erklärt Jan Klose, Kreativdirektor bei Deck13, zum heimischen Standort. „Sobald es jedoch um Themen wie Finanzierung, Förderungen oder die kulturelle Wahrnehmung von Spielen geht, zeigt sich, dass man hier noch Nachholbedarf hat. In Ländern wie Kanada und England, aber auch Frankreich, unserem direkten Nachbarn, ist man da weiter.“

Starke Frauen in der Führung

Die Spielebranche entwickelt sich hierzulande dennoch rasant, ist anpassungsfähig und wandelt sich schnell. Auch was Käufer, Kunden und die Belegschaft angeht: Nach einer aktuellen Erhebung des BIU – Bundesverband Interaktive Unterhaltungssoftware sind mittlerweile 47 Prozent aller Nutzer von Computer- und Videospielen in Deutschland weiblich. Eine Tatsache, die sich auch in der einst so maskulin geprägten Branche manifestiert, in der immer öfter Frauen in wichtigen Entscheider- und Führungspositionen stehen. „Heute begegnen mir deutlich mehr Kolleginnen in allen Bereichen als zu Anfang meiner Laufbahn“, bestätigt Cécile Schneider, Senior Communications Manager bei Koch Media. „Es kam und kommt vor, dass die verwunderte Frage ‚Was, du spielst tatsächlich?‘ gestellt wird. Dahinter muss keine böse Absicht stecken, es kann aber auch heißen, dass Kompetenz nicht von Anfang an unterstellt wird.“

 

Eine positive Entwicklung beobachtet auch Wiebe Stubbe von InnoGames bereits seit längerem: „Hier arbeiten schon heute viele Frauen“, erklärt die passionierte Spielerin. Dabei sieht sie dennoch Handlungsbedarf, was das aktive Bewerben der Spielebranche im weiblichen Kreis betrifft: „Es müsste insgesamt das Interesse für technologische Berufe geweckt werden. Ein Beispiel dafür ist der ‚Girls‘Day‘, an dem InnoGames regelmäßig teilnimmt und bei dem wir versuchen, schon sehr jungen Mädchen die Faszination der Spieleentwicklung zu vermitteln.“

Motor der Digitalbranche und Wachstumsmarkt der Zukunft

„Deutschland ist eine dynamische Heimstatt für die Spielebranche. Hier agieren kreative und geschäftstüchtige Unternehmen, die das Thema digitale Unterhaltung ebenso leidenschaftlich wie wirtschaftlich erfolgreich leben“, betont Dr. Maximilian Schenk vom BIU. Der Geschäftsführer des Verbandes der deutschen Computer- und Videospielindustrie sieht jedoch angesichts eines harten internationalen Wettbewerbs noch erhebliche Defizite bei den Rahmenbedingungen am Standort Deutschland. Er fordert eine nachhaltige Strategie zur Förderung der deutschen Branche, um die bisherigen Standortnachteile im internationalen Vergleich zu verringern. „Wir müssen Start-ups den unternehmerischen Start erleichtern, sie von Bürokratie befreien und ihnen den Zugang zu Kapital ermöglichen“, erläutert Schenk die aus seiner Sicht notwendigen Schritte. Doch auch für bereits etablierte Unternehmen, die expandieren wollen, sieht Schenk erheblichen Nachholbedarf: „Der Fachkräftemangel ist für die gesamte deutsche Branche ein sehr großes Problem. Offene Stellen können oftmals erst nach Monaten intensiver Suche besetzt werden. Bei Bewerbern aus dem Ausland schließen sich oftmals extrem langwierige Prüf- und Genehmigungsverfahren an.“

 

Denn auch wenn digitale Spiele gesellschafts- und geschlechterübergreifend für viele Millionen Menschen in Deutschland fester Bestandteil des täglichen Lebens geworden sind, ist ihre Relevanz noch nicht in alle Ecken des Polit- und Kulturbetriebes vorgedrungen. Und das, obwohl der Deutsche Kulturrat digitale Spiele schon seit 2008 als Kulturgut anerkennt. Deutschland hat sich eine chancenreiche Position im weltweiten Wettbewerb erarbeitet – jetzt gilt es, das vorhandene Potenzial in Zukunft entsprechend zu nutzen.