8 Interviews8.1 InnoGames, Michael Zillmer (Mitgründer und COO von InnoGames) Wie setzt ihr euch konkret für den Umwelt- und Klimaschutz ein? Bei InnoGames decken wir eine ganze Bandbreite an Maßnahmen ab, mit denen wir aktiv zum Umwelt- und Klimaschutz beitragen. Vor allem arbeiten wir ständig daran, unseren CO2-Fußabdruck zu reduzieren. Wir nutzen zu 100 Prozent erneuerbare Energien und reduzieren unseren Stromverbrauch fortlaufend. Unter anderem verwenden wir LEDs mit Bewegungssensoren und vermeiden übermäßiges Heizen oder eine überflüssige Nutzung unserer Klimaanlage, indem wir die Temperaturen in unseren Büros kontrollieren. Außerdem verwenden wir, wenn überhaupt, nur recyceltes Papier und ermutigen unsere Kollegen und Kolleginnen wo immer möglich dazu, Videokonferenzen zu nutzen, statt Geschäftsreisen zu planen. Auch nach der Corona-Pandemie bieten wir die Option, von zu Hause zu arbeiten. Last but not least fokussieren wir uns auf lokale Lieferanten, um Transportwege kurz zu halten und versorgen unsere Kollegen und Kolleginnen mit Tickets für den öffentlichen Nahverkehr. Das klingt jetzt nach jeder Menge. Es ist aber nur ein Auszug unserer Maßnahmen, die wir fortlaufend prüfen und ausbauen. Deren Effekt fassen wir seit zwei Jahren alle zwölf Monate in unseren Audits zusammen und sind stolz darauf, seit 2020 ein klimaneutrales Unternehmen zu sein. Macht ihr das nur aus Überzeugung oder bringen die Maßnahmen auch finanzielle oder andere Vorteile für das Unternehmen? Bei InnoGames setzen wir uns für den Schutz unseres Planeten ein und sehen uns in der Verantwortung, unseren Beitrag dazu zu leisten. Etwa in dem wir unseren CO2-Fußabdruck reduzieren oder durch den Einsatz von Wasserspendern in unseren Büros weniger Plastik verwenden. Teilweise ist das durchaus eine Win-Win-Situation. Beispielsweise haben wir durch unsere Maßnahmen einfach weniger Strom verbraucht und so Kosten gespart. Das ist letztlich aber nicht der Antrieb für unsere Maßnahmen zum Umweltschutz. Uns geht es vor allem darum, den vergleichsweise ohnehin schon geringen negativen Einfluss unseres Geschäfts auf die Umwelt immer weiter zu reduzieren. Woher kommt der stärkste Einsatz für das Thema: von der Führungsebene, den Mitarbeitenden oder einzelnen Teams? Alle Kolleginnen und Kollegen bei InnoGames tragen zum Umweltschutz bei. Als wir unsere CO2-Daten erfasst haben und unser erstes richtiges Audit zum Thema vor zwei Jahren gemacht haben, hatten wir die gesamte Belegschaft nach Ideen und Vorschlägen gefragt. Dafür wurden verschiedene Kanäle genutzt und Feedback kam sowohl aus dem Management als auch von den Mitarbeitenden. Die Ideen müssen natürlich auch immer praktisch umsetzbar sein und von allen Teams nachhaltig mitgetragen werden. Letztlich ist Umweltschutz ein Thema das nur funktioniert, wenn alle dazu beitragen. Daher ist es uns auch sehr wichtig, dass wir die Ergebnisse unserer Audits immer allen Kolleginnen und Kollegen zur Verfügung stellen und diese transparent machen. 8.2 GameDuell, Chris Johnson (Head of Customer Experience und Green-Team-Mitglied bei GameDuell) Ihr habt ein „Green Team“ im Unternehmen aufgebaut. Warum und was habt ihr dadurch erreicht? Unser Green Team setzt seit 2009 Ideen und Initiativen zum Schutz unserer Umwelt und für einen guten Zweck im Tagesgeschäft um. Wir treffen uns einmal im Monat und besprechen Themen, wie wir unser Büro und unsere Geschäftsprozesse nachhaltiger gestalten können. So achten wir zum Beispiel auf umweltfreundliche und ressourceneffiziente Standards bei der Beschaffung unseres Büro- und Lebensmittelbedarfs. Wir kaufen unseren gesamten Bürobedarf bei einem Anbieter für nachhaltige Produkte, haben ein ausgeklügeltes Mülltrennungssystem und betreiben unsere Server mit Ökostrom. Außerdem versuchen wir im Office, wo immer möglich, auf Plastik zu verzichten, Getränke in wiederverwendbaren Glasflaschen zu ordern oder haben beispielsweise auch eine eigene Roof-Gardening-Initiative, die Blumen und Gemüse anbaut. Als Teil der Spiele-Community nehmen wir unsere soziale Verantwortung sehr ernst. Teammitglieder, die an globalen Klimastreiks teilnehmen wollen, werden dafür freigestellt; wir spenden regelmäßig an gemeinnützige Projekte und Organisationen, verdoppeln Spenden unserer Mitarbeitenden für wohltätige Zwecke und geben noch funktionierende Hardware an Projekte wie zum Beispiel Geflüchteten-Projekte oder Senioren-Computerclubs. Was waren die besonderen Herausforderungen dabei? Zum Zeitpunkt, als wir unser Green Team ins Leben gerufen haben, galt dies eher noch als „nerdig“ oder „nischig“, mittlerweile ist es ein Unternehmensstandard geworden, sich mit dem Thema zu beschäftigen. Da unser Green Team auf Initiative unserer Geschäftsführung hin gebildet wurde, waren die unternehmensinternen Grundvoraussetzungen bereits gegeben und wir mussten nur noch interessierte Teammitglieder finden, die sich aktiv für Umweltschutz und Charity-Aktionen engagieren und unsere vielen grünen Initiativen direkt mitgestalten wollen. Für uns steht fest, dass die Themen Nachhaltigkeit und Umweltschutz auch aus unserer Branche heute nicht mehr wegzudenken sind. Deshalb leisten wir auch außerhalb des Unternehmens unseren Beitrag, versuchen unsere Spielerinnen und Spieler sowie Partner für Maßnahmen zum Umweltschutz zu inspirieren und das Bewusstsein hierfür zu schärfen. Wir selbst unterstützen außerdem die Initiative „Leaders for Climate Action“. Die Initiative von Führungspersönlichkeiten hat sich zum Ziel gesetzt, den Klimaschutz voranzutreiben, wofür sie ihren eigenen Einfluss und ihre Netzwerke nutzen. Neben dem persönlichen Engagement erfordert die Mitgliedschaft auch unternehmerisches Handeln und die Verpflichtung, die CO2-Emissionen zu messen, zu kompensieren und zu minimieren, um schließlich klimaneutral zu werden. Unser Ansatz hierbei ist es, Ressourcen zu reduzieren, zu recyceln und wiederzuverwenden und Emissionen gar nicht erst entstehen zu lassen. Bleiben jedoch unvermeidbare Emissionen (gemessen in CO2-Äquivalenten) übrig, gleichen wir diese aus und kompensieren sie in Aufforstungsprojekten, auf einem Standard, der einen messbaren Beitrag zu den Zielen für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen leistet. Welche Tipps könnt ihr anderen Unternehmen aus eurer Erfahrung geben? Wenn Projekte und Ideen zum Thema Nachhaltigkeit erfolgreich umgesetzt werden sollen im Unternehmen, gilt zunächst einmal: Nachhaltigkeit muss Teil der Unternehmenswerte sein. Deshalb bindet Teammitglieder, Partner und Kunden aktiv ein. Verpflichtet euch zu Klimaschutzmaßnahmen. Berechnet mit Hilfe von Tools eure ganz persönlichen Emissionen und die des Unternehmens, um ein Gefühl und ein Bewusstsein dafür zu bekommen, wie viel Potenzial zur Emissionseinsparung vorhanden ist. Auch der Austausch mit anderen Unternehmen ist wichtig, deshalb vernetzt euch in Initiativen wie zum Beispiel den „Leaders for Climate Action“ oder „Playing for the Planet“. Wenn es dann an die konkrete Umsetzung im Unternehmen geht, ernennt einen Klimabeauftragten oder besser ein Green Team, das die Projekte im Unternehmen umsetzt. Idealerweise ist in diesem Green Team ein Mitglied der Geschäftsführung, zum einen für den Symbolcharakter, zum anderen um ganz praktisch Entscheidungen schnell genehmigen und abzeichnen zu lassen. Auch ein Mitglied des Office-Management-Teams wäre gut, da diese in der Regel am besten die Bestellprozesse und Reiserichtlinien des Unternehmens kennen und idealerweise mit dem Facility Management vertraut sind. Themen, die das Green Team dann zunächst angehen könnte, sind zum Beispiel Geschäftsreisen, Mülltrennung, nachhaltige Büroartikel, Bio-Lebensmittel, Energie- und Wassersparen. Hier gibt es so viel Potenzial zum Einsparen. Doch wichtig ist auch: Ihr müsst nicht sofort mit DEM EINEN großen revolutionären Konzept im Unternehmen aufwarten. Arbeitet stattdessen stetig an vielen kleinen Schritten, die zum Ziel führen. Jede Kleinigkeit zählt und am Ende summiert sich das Ganze. 8.3 the Good Evil, Linda Kruse (Gründerin und CEO von the Good Evil) Ihr habt 2018 das Spiel „Serena Supergreen und der abgebrochene Flügel“ veröffentlicht. Es soll Jugendliche für technische Ausbildungsberufe im Bereich Erneuerbare Energien begeistern. Hat das funktioniert? Die kurze Antwort ist: Ja. Die lange Antwort ist folgende: Mit Serena Supergreen wollten wir ein Spiel für die Berufsbildung und den Einsatz im Unterricht entwickeln, welches das Fähigkeitsselbstkonzept vor allem bei Mädchen in Bezug auf technische Ausbildungsberufe stärkt. Hierfür gibt es unterschiedliche Möglichkeiten. Eine davon ist, die positiven Auswirkungen auf die Gesellschaft und Natur zu zeigen, die man mit dem Ausüben von Ausbildungsberufen im Bereich Erneuerbare Energien hat. In Serena Supergreen müssen diverse technische Probleme gelöst werden, etwa das Löten eines Solarladegeräts oder das Auswählen richtiger LED-Leuchtmittel für Aquarien. Sie können dabei ihre eigenen Fähigkeiten testen und verbessern, sehen durch die direkte Interaktion aber auch, wie Erneuerbare Energien funktionieren und welche Vorteile sie bringen. Wie viel Strom erzeugt eine Solaranlage auf dem Dach? Was sind Leistungsspitzen? Welche Geräte im Haushalt verbrauchen viel Energie? Wie funktioniert ein Windrad? Und wie sieht die Welt eigentlich von oben aus? Das alles sind Erfahrungen, die in ihrem normalen Alltag so nicht möglich wären, vor allem nicht im Rahmen des Unterrichts. In allen Klassen, die wir evaluiert haben, waren die Schülerinnen und Schüler mit Begeisterung dabei und haben Serena erfolgreich geholfen, ihre Probleme zu lösen. Wie kann das Thema Umwelt- und Klimaschutz gut in Spielen thematisiert werden? Umwelt- und Klimaschutz sind sehr abstrakte Themen. Es ist ein breites Wissen und Vorstellungskraft nötig, um die Faktoren und Auswirkungen in den verschiedenen Bereichen des eigenen Lebens, aber auch auf der gesamten Welt zu begreifen. Spiele helfen hier, da sie selbst Systeme sind und man mit ihnen andere Systeme modellieren kann. Das heißt, in Spielen können diese komplexen Sachverhalte dargestellt werden. Die Spielerinnen und Spieler können so mit den Systemen interagieren, ihre eigenen Entscheidungen treffen und dann mögliche Auswirkungen sehen und erfahren. Dabei werden Prozesse und vor allem Abhängigkeiten greifbarer. Sind Games besonders gut geeignet, so ein Thema zu behandeln, und wenn ja, warum? Bei der Vermittlung von Lerninhalten kommt es darauf an, was man genau vermitteln möchte und an welche Zielgruppe das Spiel adressiert werden soll. Wenn es um komplexe Systeme geht, dann eigenen sich zum Beispiel Simulationen wie Eco sehr gut. Wenn ich eher emotionale Geschichten und die Auswirkungen von Umwelt- und Klimaschutz zeigen möchte, beispielsweise auf eine Bevölkerungsgruppe, dann ist auch ein Point & Click Adventure oder ein narratives Abenteuer wie Alba möglich. Selbst in einem Jump’n’Run Game lassen sich einfache Inhalte gut einbinden. Quiz-Spiele fragen dagegen eher vorhandenes Wissen ab und sind daher eher für Fortgeschrittene in Sachen Umwelt- und Klimaschutz zu empfehlen. Das Spektrum an Möglichkeiten ist wirklich sehr breit. 8.4 Playing for the Planet Alliance, Lisa Pak (Beraterin beim Umweltprogramm der Vereinten Nationen und Head of Operations bei Playing for the Planet) Games-Unternehmen aus aller Welt bündeln ihr Umweltschutzengagement bereits im Rahmen der Playing for the Planet Alliance – einer Initiative der Vereinten Nationen, die 2019 ins Leben gerufen wurde. Im Interview erklärt Lisa Pak von Playing for the Planet, welche Umweltschutzmaßnahmen dabei besonders wirkungsvoll sind und wie sich Unternehmen der Games-Branche noch mehr im Kampf gegen den Klimawandel engagieren können. Welches Ziel verfolgt die Playing for the Planet Alliance? Wie arbeitet ihr mit den Games-Unternehmen zusammen? Playing for the Planet möchte eine Community aufbauen, in der die Studios nicht miteinander konkurrieren, sondern zusammenarbeiten. Wir wollen ihnen Wissen, Handlungsempfehlungen und das nötige Handwerkszeug für nachhaltige Praktiken vermitteln. Die Mitglieder verpflichten sich zu konkreten, messbaren Umweltschutzmaßnahmen, von der Reduktion ihres CO2-Ausstoßes bis zur Integration von „Green Activations“ in Spielen. Den Fortschritt messen wir jährlich in unserem Impact Report. Welche Maßnahmen waren bisher besonders erfolgreich? Den CO2-Fußabdruck zu messen kann komplex sein, und viele Studios holen sich Unterstützung dabei. Unser gemeinsam mit dem Carbon Trust erstellter Bericht „Untangling the carbon complexities of the video gaming industry“ bildet das Fundament für unseren branchenspezifischen CO2-Rechner, der 2025 an den Start gehen soll. Der Green Game Jam, bei dem die Studios gemeinsam an Umweltzielen arbeiten, war auch sehr erfolgreich. In den vergangenen vier Jahren wurden durch die teilnehmenden Spiele über 2,5 Millionen Bäume gepflanzt und mehr als 1,5 Millionen US-Dollar für den Umweltschutz gesammelt. Welchen Beitrag können Games-Unternehmen leisten, um den Umweltschutz voranzubringen? Die Superkraft der Games-Branche ist ihre Reichweite von 3,3 Milliarden Spielerinnen und Spielern weltweit. Die Studios können diese Community auf kreative Weise an Umweltthemen heranführen. Intern können die Unternehmen Verantwortliche für Nachhaltigkeit ernennen, mehr Gerichte auf pflanzlicher Basis anbieten und es den Beschäftigten ermöglichen, auf Unternehmens-Goodies zu verzichten, um nur einige der einfachsten Schritte zu nennen. Den CO2-Ausstoß zu messen, zu reduzieren und auszugleichen ist für jede Organisation essenziell. Wie kann die Politik bei der Förderung von mehr Umweltschutz in der Games-Branche helfen? Die Einführung neuer Vorschriften wie der CSRD-Richtlinie trägt dazu bei, dass es für die digitale Wirtschaft faire Wettbewerbsbedingungen und klare Erwartungen gibt. Das ist hilfreich und bringt auch die Studios zum Handeln, die zuvor vielleicht unsicher waren, was sie tun könnten oder sollten. Aber man kann immer noch mehr machen. Oft besteht die Herausforderung gar nicht darin, neue Handlungsempfehlungen zu erstellen, sondern darin, über den Tellerrand zu schauen, um Wissen und Best Practices von einem Sektor an einen anderen weiterzugeben. Bild Michael Zillmer: InnoGames Bild Chris Johnson: GameDuell Bild Linda Kruse: Linda Kruse Bild Lisa Pak: Lisa Pak