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Deutschland zum besten Esport-Standort machen

Deutschland ist Heimat und Austragungsort einiger international renommierter Wettkämpfe und der Sitz zahlreicher international erfolgreicher Teams. Global hat Deutschland im Esport eine relevante Rolle eingenommen und kann diese – sofern noch vorhandene Hürden abgebaut werden – in allen Bereichen ausbauen.

Dabei ist die Frage, ob Esport Sport ist, nicht entscheidend. Trotz zahlreicher Parallelen zum klassischen Sport ist Esport einzigartig, etwa bei seiner Ausübung oder auch der Organisation. Unabhängig davon, ob Esport als Sport angesehen wird, hat es unstreitig eine hohe gesellschaftliche, kulturelle und wirtschaftliche Relevanz, weswegen uns als Gesellschaft daran gelegen sein muss, sein volles Potenzial zu nutzen und dementsprechend die Rahmenbedingungen für alle Esport-Akteure bestmöglich zu gestalten.

Esport wird zum Massenphänomen

Anerkennung der Gemeinnützigkeit für Vereine mit Esport-Angebot

Für die ganzheitliche Stärkung des Esports fehlt weiterhin die Anerkennung der Gemeinnützigkeit für Esport-Vereine. Von dieser profitieren diejenigen Vereine, die Esport ehrenamtlich als Hobby oder semiprofessionell anbieten. Diesen Vereinen geht es vor allem um den Gemeinschaftssinn: Es wird gemeinsam trainiert, es werden ganzheitliche Trainingspläne entwickelt, sie fördern den Nachwuchs und vermitteln so auch Medienkompetenz an Kinder und Jugendliche. Die Vereine bieten damit ein Gemeinschaftserlebnis und sind Anlaufstelle sowohl für Jugendliche als auch für Eltern, aber auch für ältere Spielerinnen und Spieler. Damit unterscheiden sie sich nicht von anderen Vereinen, die einen als gemeinnützig anerkannten Zweck verfolgen wie Kleingarten-, Karnevals- oder Hundesportvereine.

Für die ganzheitliche Stärkung des Esports fehlt weiterhin die Anerkennung der Gemeinnützigkeit für Esport-Vereine.

Schaffung besserer Voraussetzungen in Ländern und Kommunen

Kommunen und die lokale Wirtschaft profitieren davon, wenn Esport-Ligen oder -Turniere bei ihnen vor Ort stattfinden. Bereits existierende Events wie die ESL One in Köln und Hamburg oder der Ligabetrieb der League of Legends European Championship in Berlin zeigen, dass sie dazu beitragen, nachhaltige Esport-Strukturen über die Events hinaus zu schaffen. Besonders interessant für die Kommunen sind Esport-Turniere von internationaler Bedeutung, die große Effekte für den Einzelhandel und die Hotellerie – wie bei anderen Großevents auch – nach sich ziehen. Die Summer Finals der LEC 2019 in Rotterdam haben laut einer gemeinsamen Studie von Riot Games und der Stadt Rotterdam rund 2,3 Millionen Euro eingebracht. Für das Stadtmarketing ist außerdem die hohe internationale Sichtbarkeit über das Event hinaus relevant: Die Summer Finals der LEC 2019 hatten einen Rekord von mehr als 850.000 gleichzeitigen Zuschauern, wodurch Rotterdam eine hohe Sichtbarkeit bei einer andernfalls schwer zu erreichenden Zielgruppe erlangt hat. Städte mit vielen Turnieren und Ligen bieten sich darüber hinaus dafür an, dass sich Profiteams dort langfristig ansiedeln. Ganzjährig bieten Event-Locations wie das LVL World of Gaming in Berlin oder das geplante Esport-Hotel in Hamburg Programm für Esport-Fans. Wie die Teams erreichen diese inzwischen die Größe mittelständischer Unternehmen, was auch einen nicht zu unterschätzenden Effekt auf die lokale Wirtschaft und die Attraktivität der Stadt insgesamt hat.

Die Förderung von Talenten

Im Mittelpunkt des Interesses stehen häufig die internationalen Top-Esportlerinnen und -Esportler. Sie dienen als Vorbilder und haben eine internationale Strahlkraft, vergleichbar mit Talenten in anderen Bereichen wie Kultur oder Sport. Deutschland muss daher daran gelegen sein, bestmögliche Bedingungen für die Entwicklung von Esport-Talenten zu schaffen, um auch in diesem Bereich einen Spitzenrang einzunehmen und die Bundesrepublik bestmöglich zu repräsentieren. Ein weiteres Ziel der Förderung von Talenten ist es, Vorbilder für Millionen Spielerinnen und Spieler zu schaffen. Durch ganzheitliches, professionelles und werteorientiertes Training, eine gesunde Lebensweise und einen verantwortungsvollen Umgang mit Gaming transportieren diese Talente wichtige Werte wie Fairplay und Teamgeist in die Zielgruppe der Millionen Fans, insbesondere der computerspielenden Heranwachsenden. Dafür bedarf es professioneller Trainingsbedingungen sowie einer Förderung von physischer Fitness und gesunder Ernährung. Entsprechende Initiativen wie die esports player foundation sollten daher in Deutschland nachhaltig unterstützt werden. Vorbild für eine Förderung dieser Initiative kann die Unterstützung der Stiftung Deutsche Sporthilfe durch den Bund sein.

Andere Hürden, mit denen der Esport in Deutschland noch zu kämpfen hat, wurden bereits abgebaut oder angegangen. In Deutschland erkennt die Bundesregierung mit dem Koalitionsvertrag von 2018 „die wachsende Bedeutung der E-Sport-Landschaft in Deutschland an“ und will die Entwicklung fördern. Einfacher wurden seitdem die Einreise und der Aufenthalt für Esportlerinnen und Esportler aus Drittstaaten: Für diese hat das Auswärtige Amt im August 2018 die Einreisebestimmungen aus Nicht-EU-Ländern erleichtert und mit der neuen Beschäftigungsverordnung sind seit März 2020 die Zugangshürden für Esportlerinnen und Esportler bei der Einreise nach Deutschland niedriger. Auch in vielen Bundesländern wurden erste Schritte zur Förderung von Esport unternommen: So unterstützt das Land Schleswig-Holstein die Einrichtung kommunaler Esport-Häuser und hat ein Landeszentrum für Esport eingerichtet. In Sachsen-Anhalt existiert eine Förderung für Esport-Vereine und das Land Nordrhein-Westfalen ist Mit-Initiator und Unterstützer der esports player foundation.

Das vollständige Positionspapier von game esports mit den detaillierten Forderungen ist online abrufbar unter https://www.game.de/positionen/deutschland-zum-besten-esport-standort-machen/

Interview

Martin Müller,
Vizepräsident ESBD – eSport-Bund Deutschland e. V. und Vorsitzender des Magdeburg eSports e. V.

„Ein großes Problem bleibt jedoch die fehlende Gemeinnützigkeit für nicht kommerziell angelegte Esport-Vereine.“

Der Magdeburg eSports e. V. ist mit über 200 Mitgliedern einer der mitgliederreichsten Esport-Vereine Deutschlands. Gegründet wurde er 2016. Wie habt ihr den Verein über die Jahre aufgebaut und was plant ihr als nächstes?

Angefangen hat alles ganz klein, nämlich mit elf ehrenamtlichen Mitgliedern, die Lust darauf hatten, die Esport-Begeisterten der Region zusammenzubringen. Über die Jahre ist daraus ein Verein mit eigenem Vereinsheim, Trainingsplätzen, einem Streaming-Studio und organisierten Trainingseinheiten entstanden. Wir bieten heute über Discord oder Teamspeak eine digitale Anlaufstelle, helfen bei der Umsetzung von Esport-Events mit und stehen bei externen Anfragen zur Verfügung. Wir konnten Magdeburg als gute Adresse für Gamerinnen und Gamer sowie Esportlerinnen und Esportler etablieren, die sich hier wohl fühlen, gemeinsam ihrem Hobby nachgehen und sich auch über das eigentlich Spielen hinaus engagieren. Der nächste Schritt ist der Umzug in ein 150m² großes Vereinsheim in der Innenstadt Magdeburgs und wir hoffen damit einen echten Anlaufpunkt für alle Gamer und Gamerinnen, Esport-Treibenden und -Interessierte schaffen zu können.

Welche Auswirkungen hat die Corona-Krise auf euer Vereinsleben?

Man spürt natürlich, dass ein lokaler Esport-Verein mit eigenem Vereinsheim und dem Wunsch, Menschen zusammenzubringen, unter den Umständen und Kontakteinschränkungen leidet. Seit März 2020 konnten wir quasi keine Events oder Trainings „bei uns“ durchführen, trotz laufender Kosten für Miete und Co.; außerdem waren wir kaum physisch in der Öffentlichkeit präsent. Mit der fehlenden Möglichkeit sich zu treffen, leidet auch die Bindung der Mitglieder. Dennoch haben wir versucht, das beste aus der Situation zu machen und Organisationen zu helfen, die schwere Einschnitte zu verkraften hatten. Mit einem örtlichen Basketballverein haben wir ein NBA 2K-Turnier veranstaltet, wir haben eine Ausbildungseinrichtung von Pflegekräften mit Technik für ihren Fernunterricht ausgestattet und auf Landesebene kooperieren wir bei der Ausrichtung einer dezentralen eCycling-Veranstaltung.

Wie hat sich Esport in Vereinen insgesamt entwickelt und wie geht die Entwicklung weiter?

Wir zählen in Deutschland derzeit etwa 250 Vereine, die sich auf verschiedenen Ebenen im Esport engagieren. Neben reinen Esport-Vereinen und -Abteilungen bieten mittlerweile auch immer mehr Jugendorganisationen oder Feuerwehr-Fördervereine Esport an. Sehr spannend finde ich auch die Entwicklung, dass in immer mehr Bundesländern Esport-Initiativen entstehen, die über das Thema informieren und als Ansprechpartner fungieren. Ich gehe davon aus, dass die Entwicklung sich fortsetzen wird und wir in den nächsten Jahren eine nahezu flächendeckende Esport-Infrastruktur im Vereinswesen sehen werden.

Ein großes Problem bleibt jedoch die fehlende Gemeinnützigkeit für nicht kommerziell angelegte Esport-Vereine. Hier besteht weiterhin eine große Unsicherheit, die den Aufbau von Angeboten – insbesondere in Sportvereinen – häufig bereits zu einem frühen Zeitpunkt ausbremst.

Du bist treibende Kraft hinter dem LEZ.SH – Landeszentrum für eSport und Digitalisierung Schleswig-Holstein (LEZ SH) und dem E-Sport Hub Sachsen-Anhalt. Was leisten diese Projekte für den Esport?

In erster Linie sind beide Projekte als zuverlässiger Ansprechpartner und Multiplikator für den Esport angedacht. So wird jeweils in den Grenzen des Bundeslandes versucht, mit Institutionen ins Gespräch zu kommen, für die Potenziale des Esport zu werben und für Fragen zum Thema zur Verfügung zu stehen. In Schleswig-Holstein arbeiten wir seit Juli 2020 mit rund 20 ehrenamtlichen Kräften an Online-Angeboten zur Schulung, Vernetzung und Aufklärung. Wir bemerken, dass eine Vielzahl von Organisationen mit Fragen auf das LEZ SH zukommt, was von Ministerien bis hin zu einzelnen Eltern reicht.
 

„Wir werben für die Potenziale des Esports und stehen für Fragen zum Thema zur Verfügung.“

Zudem konnten wir mit Hilfe des Innenministeriums einen sehr kostengünstigen Trainerausbildungskurs anbieten. Parallel dazu ist das E-Sport Hub Sachsen-Anhalt etwas anders aufgestellt. Hier stehen insgesamt 3 Mitarbeiter in Teilzeit zur Verfügung, die Angebote für Unternehmen bieten, viele Gespräche im Hintergrund führen, was meist auf direkte Anfragen oder Projektvorbereitungen zurückgeht sowie im intensiven Austausch mit Institutionen des Landes oder von Gemeinden sind. Mit beiden Projekten konnten wir – und das freut mich besonders – auch Institutionen weit außerhalb der „endemischen Esport-Welt“ erreichen, die Faszination von Esport erklären und Interesse wecken.