5.6

  Wooga

Wooga: Geschlechtergerechte Unternehmenskultur

Gastbeitrag von Valentina Luzina, Head of HR Wooga

Diversität als Unternehmenskultur:
Mit diesen Schritten schafften wir den Wandel und erhöhten unseren Frauenanteil

Wie schafft man es als Gaming-Unternehmen, aus einer Männerdomäne ein diverses Unternehmen zu machen? Ich sage ganz klar: Wo ein Wille ist, da ist ein Weg! Meiner Erfahrung nach braucht es vor allem zwei Dinge: Offenheit und den Mut, den Sprung zu wagen. Ein Gastbeitrag von Valentina Luzina, Head of HR Wooga.

Die Gaming-Branche gilt noch immer als eine typische Männerdomäne: Angefangen bei den Spielen, in denen männliche Charaktere dominieren, bis hin zur Belegschaft der Unternehmen, die zu rund 70 Prozent männlich ist. Manche Spielerinnen geben sich in Games sogar männliche Namen, um nicht als Frau aufzufallen.

Das sind die Fakten, die uns allen hinreichend bekannt sind. Fakt ist aber auch: An ihnen lässt sich rütteln! Ein noch so männliches Unternehmen kann in ein paar Schritten diverser als jemals zuvor werden. Das habe ich in den letzten Jahren bei Wooga selbst miterlebt. Vor etwas gut 10 Jahren war Wooga zwar kulturell schon sehr divers, ansonsten aber genauso männlich wie der
Durchschnitt. Der Frauenanteil unter den Beschäftigten lag bei rund 20 Prozent. Im Jahr 2023 sieht das ganz anders aus: 42 Prozent der Beschäftigten sind Frauen. Davon arbeiten 24 Prozent im Tech-Bereich und 40 Prozent (!) in einer Führungsposition.

Das ist für die Gaming-Branche unglaublich – sollte aber eigentlich selbstverständlich sein. Denn ziemlich genau 50 Prozent der weltweiten Spieler:innen sind Frauen.

Dieser Widerspruch war es, der bei Wooga dazu geführt hat, mehr zu hinterfragen: Warum ist das überhaupt so? Und wie können wir daran etwas ändern? Woogas Spiele werden sogar hauptsächlich von Frauen gespielt – es lag also auf der Hand, dass wir mehr Frauen fördern müssen. Das war der Startschuss.

Der wichtigste Schritt ist der erste Schritt

Unser erster Schritt war, dass wir eine Expertin zu uns geholt haben, die einen Vortrag gehalten hat. Das Thema: unconscious bias, also unbewusste Vorurteile. Dieser Vortrag war für das gesamte Team ein Augenöffner und hat alle schon für das Thema sensibilisiert. Außerdem war er ein Türöffner, um das Thema weiter voranzutreiben. Mein erster Tipp lautet also: Thema ansprechen und die Diskussion eröffnen. Vorfühlen, ob das Management und das Team offen sind. Dann sollten direkt erste kleine Maßnahmen folgen – denn Erfolge sind die beste Basis für weitere Diskussionen. Und aussagekräftiger als jede Studie.

Das ist der wichtigste Schritt: überhaupt anzufangen! Viele Unternehmen verrennen sich an dieser Stelle in Meetings und umfangreichen Strategien. Dabei ist es am besten, einfach loszulegen und mit der Zeit dazuzulernen, sich zu verbessern und größer zu denken.

Bei Wooga war die Situation: Die Offenheit war total da. Aber die Bereitschaft, richtig in das Thema zu investieren, fehlte noch. Zu dieser Zeit hatten wir auch existenzielle Probleme. Deshalb haben meine HR-Kolleg:innen und ich uns überlegt: Wo können WIR in unserem Wirkungskreis etwas verändern? Wir haben festgestellt, dass wir in der HR an einem langen Hebel sitzen. Denn wir füllen die “Kandidat:innen-Pipeline” und schulen die Hiring Manager zum Thema gleichberechtigter Interviewprozess. Dadurch bestimmen wir maßgeblich mit, wie divers die Belegschaft ist.

Überlege: Wen wünschst DU dir? Und was wünschen DIE sich?

Wer mehr Frauen für sein Unternehmen gewinnen will, muss sich genau überlegen, was berufstätigen Frauen wichtig ist und wie sie angesprochen werden wollen. Hier ist Fingerspitzengefühl gefragt. Denn Stichwort unconscious bias – die meisten Vorverurteilungen oder Ausgrenzungen laufen unbewusst ab. Die Sprache hat hier eine große Macht. Stellenausschreibungen sollten deshalb nicht nullachtfünfzehn sein, sondern gut durchdacht und sensibel formuliert. Es geht nicht nur darum, alle Geschlechter anzusprechen. Sondern auch um die Wortwahl generell. Adjektive wie “begeisterungsfähig” oder “empathisch” werden eher als weiblich wahrgenommen, während “ehrgeizig” und “zielorientiert” eher als männliche Eigenschaften gelten. In der Folge bewerben sich weniger Frauen auf Stellenanzeigen, die typisch männlich klingen.
Anderes Beispiel: Frauen bewerben sich oftmals nur auf Stellen, deren Profil sie zu 100 Prozent entsprechen. Während Männer sich auch dann bewerben, wenn sie dem Profil einer Stelle nur zu 60 Prozent entsprechen.

Die Beispiele mögen klischeehaft klingen, sie haben aber einen ganz einfachen Grund: Sozialisierung. Frauen werden anders sozialisiert als Männer. Sie werden dazu erzogen, bescheiden zu sein – während Männer ihren Ehrgeiz und ihre Stärke zeigen dürfen oder sogar sollen.

Die HR sollte hier also viel Hirnschmalz investieren und sich aus Erkenntnissen wie diesen Maßnahmen für den Einstellungsprozess ableiten. Es wird sich auszahlen!

Divers einstellen = Kompromisse eingehen?

Neben der gendersensiblen Sprache in Stellenausschreibungen haben wir bei Wooga die Regel eingeführt, bei jeder Einstellungsrunde mindestens eine Frau mit in die Auswahl zu nehmen. Bei der Frauenquote gibt es ja den Irrglauben, dass divers einstellen heißt, Kompromisse eingehen zu müssen. Klares Nein! Es geht nicht darum, eine Frau in eine Führungsposition zu befördern, nur weil es sein muss. Sondern es geht darum, einer Frau die gleichen Chancen zu ermöglichen. Und bei gleicher Qualifikation/Eignung bekommt die Frau den Vorzug.

Bei unserer Regelung bekommt die Person die Stelle, die am besten dafür geeignet ist. Meiner Meinung nach muss es keine Quote geben, die das Ganze versteift. Aber bewusst mehr Frauen in die engere Auswahl zu nehmen, ist für mich eine sehr sinnvolle Maßnahme. Das Gute ist auch: Wenn eine Führungsposition erst einmal mit einer Frau besetzt ist, ist es Dank des Vorbild-Effekts wahrscheinlicher, dass sich auch weitere Frauen auf diese oder eine ähnliche Position bewerben.

Zudem haben wir beschlossen, dass in jedem Interview-Panel auf Unternehmensseite mindestens eine Frau sitzen muss. In vorher von Männern dominierten Abteilungen, wie etwa im Engineering, war es zunächst schwieriger als gedacht, immer eine geeignete Mitarbeiterin zu finden. Es gab dort, besonders in Führungspositionen, anfangs kaum Frauen. Gleichzeitig sollte auch nicht einfach irgendeine Mitarbeiterin im Interview-Panel dabei sein, die nicht auf die Fragen der Bewerberin oder des Bewerbers antworten konnte.

Besonders der Redeanteil der Frau, die die Unternehmensseite vertritt, musste sich zunächst einpendeln. Manchmal hat die Mitarbeiterin viel mehr als ihre Kollegen gesprochen, manchmal viel weniger. Wir haben dabei gemerkt: Keines von beiden war wirklich zielführend. Gleichzeitig war es wichtig, dass die Bewerbenden anhand der Geschlechterverteilung beim Gespräch keine falschen Rückschlüsse auf den Frauenanteil im gesamten Unternehmen ziehen.

​​Diese drei Maßnahmen haben bei uns im Unternehmen alles verändert! Und sie haben nichts gekostet. Es waren eigentlich nur kleine Anpassungen des Prozesses. Die Erfolge der Maßnahmen haben uns darin bestärkt, weiter am Thema dranzubleiben.

Unterschiedlichkeit ist eine Riesenchance

Diversität ist natürlich mehr als eine Geschlechterfrage. Es geht um Chancengleichheit für alle – unabhängig von Herkunft, Religion, Weltanschauung, Alter, möglichen Einschränkungen, sexueller Orientierung oder Aussehen. Gleichberechtigung ist aber die Grundlage dafür.

Wir leben bei Wooga das „self-empowered mindset“. Das bedeutet so viel wie: Jede:r kann mit anpacken! Probleme werden als Chancen gesehen, etwas zu ändern – und zwar in Eigenregie. Dieses Motto können wir nur leben, wenn alle Mitarbeiter:innen das Gefühl haben, gleichermaßen dazuzugehören. Genau das ist Inklusion.

Abschließendes Fazit: Ich sehe Gleichberechtigung als Pflicht der Unternehmen und Diversität als Riesenchance. Diverse Teams sind kreativer, dynamischer, innovativer – erfolgreicher. Das habe ich in den letzten sieben Jahren bei Wooga deutlich gesehen. Wir haben jetzt nicht nur eine gesündere Unternehmenskultur, sondern zählen auch zu den Marktführern für story-driven Casual Games und wurden als einer der Top 1 Prozent der besten Arbeitgeber Deutschlands ausgezeichnet.
Ich kann nur sagen: Auch wenn es anfangs herausfordernd und auch erstmal zeitaufwendig ist – in Diversität und Inklusion zu investieren, zahlt sich am Ende doppelt und dreifach aus.

Über die Autorin:
Valentina Luzina ist Head of HR bei Wooga, dem Berliner Entwickler für Story-Driven Casual Games. Sie ist 2017 ins Unternehmen eingestiegen und treibt mit ihrem Team unter anderem das Thema Diversität und Familienfreundlichkeit kontinuierlich voran.