Computerspiele als Unterrichtsgegenstand

Ein Gastbeitrag von Tobias Hübner, IT-­Trainer und Autor aus Düsseldorf.

Die Idee, sich in der Schule mit Computerspielen zu beschäftigen, erscheint vielen abwegig, da im allgemeinen Sprachgebrauch das Verb spielen das Gegenteil von lernen ist. Wie falsch diese Annahme jedoch ist, beschreibt Stuart Brown in seinem Buch Play. Für ihn ist das Gegenteil von Spielen nicht Arbeiten, sondern Depression. Ein Leben ohne Spiel wäre ein Leben ohne Bücher, Filme, Kunst, Musik, Witze, Theater, Flirt, Tagträume und Ironie. Mit anderen Worten: Ohne Spiel wäre das Leben nicht lebenswert. Möchte man zudem dem pädagogischen Leitspruch folgen, Kinder da abzuholen, wo sie stehen, führt kein Weg am Computerspiel vorbei, das längst zum Leitmedium im Leben vieler Kinder und Jugendlicher aufgestiegen ist. Beim Einsatz von Computerspielen in der Schule denke ich jedoch nicht allein an Lernspiele. Für Lehrkräfte ist es fast noch interessanter, sich mit der Frage zu beschäftigen, wie Game-Designer ihre Spiele gestalten und inwieweit man einzelne Elemente davon in den Unterricht integrieren kann. So sind beispielsweise Fehler in Computerspielen immer Anreize. Sie werden ganz natürlich als Voraussetzung dafür gesehen, besser zu werden. Fast jede Schülerin und jeder Schüler hat jedoch Angst davor, im Unterricht die falsche Antwort zu sagen, eine Aufgabe an der Tafel nicht lösen zu können oder einen schlechten Test zu schreiben. Computerspiele belohnen zudem ständig. Jede Aktion, die eine Spielerin oder ein Spieler auslöst, hat unmittelbare Folgen. Wird eine Aufgabe erfolgreich gelöst, wird die Spielerin oder der Spieler belohnt durch Punkte, virtuelle Gegenstände oder das Erreichen des nächsten Levels. In der Schule fehlt dieses unmittelbare Feedback in vielen Fällen. Die Schule Quest to Learn in New York hat sich vorgenommen, Unterricht wie ein Spiel zu gestalten. Der Lehrplan ist unterteilt in Missionen, die die Schüler erfüllen sollen. Diese dauern ungefähr zehn Wochen und enden mit einem Boss Level, einer besonders schwierigen Aufgabe, zu deren Lösung das Team den bis dahin gelernten Stoff problemorientiert anwenden muss. Laut einem Artikel in der New York Times ist das Konzept ein voller Erfolg – für Lehrkräfte sollte das Grund genug sein, Computerspiele ernst zu nehmen und mit ihrer Hilfe den Unterricht zu ergänzen und somit neue Anreize zu setzen.

Tobias Hübner ist Lehrer, IT­-Trainer und Autor aus Düsseldorf. Obwohl er ziemlich analog Germanistik und Theologie studiert hat, setzt er sich seit über zehn Jahren für den Einsatz digitaler Technik im Klassenraum ein. Dazu produziert er Lernvideos, setzt Computerspiele ein und bringt im Start­-up Codingschule Kindern das Program­mieren bei. Mehr über seine Arbeit unter www.medienistik.de

Foto Tobias Hübner: Janina Snatzke