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Fünf Thesen zur Zukunft von ­Serious Games

Wie sieht die Zukunft der Serious Games aus? Auch ohne Glaskugel gibt es schon ­heute einige absehbare Trends.

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Das Marktpotenzial ist noch lange nicht ­aus­geschöpft

Der globale Markt für Serious Games wächst rasant. 2016 wurden weltweit 2,7 Milliarden US-Dollar umgesetzt. Bis 2023 könnte sich der Umsatz auf 9 Milliarden US-Dollar verdreifachen. Von diesem Boom profitiert auch der deutsche Markt. 2016 lag der Umsatz mit Serious Games hierzulande bei 112 Millionen Euro, bis 2023 werden es laut Schätzungen rund 370 Millionen Euro sein. Dieses rasante Wachstum macht den Markt auch für große Entwickler interessant. Nur zwei aktuelle Beispiele: Microsoft engagiert sich seit einigen Jahren aktiv in der pädagogischen Community des Aufbau-Spiels Minecraft und bietet zahlreiche Anwendungen für den Schulunterricht. Ubisoft hat für seinen Erfolgstitel Assassin’s Creed Origins unlängst eine Discovery Tour entwickelt. Hier müssen die Spieler nicht kämpfen oder Rätsel lösen, stattdessen lernen sie auf einer virtuellen Reise durch das alte Ägypten mehr über einbalsamierte Leichen, den Alltag der Bevölkerung und die Bedeutung des Nils. Auch für den Nachfolger Assassin’s Creed Odyssey wurde eine entsprechende Erweiterung über das Leben im antiken Griechenland veröffentlicht.

 
Der globale Markt für ­Serious Games soll bis 2023 auf 9 Milliarden US-Dollar wachsen.
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Serious Games sind Teil des mobilen Lerntrends

Dank unserer mobilen Endgeräte sind wir ständig online und haben Zugriff auf alles Wissen der Welt. Laut Marktforschungsinstitut YouGov besitzen 79 Prozent der Deutschen ein Smartphone, 39 Prozent zusätzlich ein Tablet. Längst nutzen wir diese Geräte nicht mehr nur zum Nachrichtenschreiben, Arbeiten oder Teilen von Inhalten. Auch mobiles Lernen wird immer wichtiger – sowohl in der Schule als auch im Beruf. Die Vorteile liegen auf der Hand: Mit dem Smartphone oder Tablet können wir überall lernen, unterwegs in der Bahn, im Café oder beim Sport. Passende Formate dafür gibt es bereits einige. Podcasts geben Tipps für die Karriere, YouTube bietet unzählige Erklärvideos für Schule und Universität. Auch Serious Games profitieren von diesem Trend. Schon heute gibt es in den App-Stores eine riesige Auswahl an Lernspielen für Kinder und Erwachsene – von Sprachen über Mathematik bis hin zu Soft Skills. Auch immer mehr Unternehmen entwickeln ihre Serious Games von Anfang an als mobile Anwendung.

Mobiles Lernen wird immer wichtiger – sowohl in der Schule als auch im Beruf.
 
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Health Games werden an Bedeutung gewinnen

Bislang dominieren Bildungsangebote für Schule und Beruf den Markt der Serious Games. Hier gelten die Spiele längst als innovative und effiziente Lernmethode. Bei den Health Games ist die Entwicklung noch etwas gehemmter. Zwar gibt es zahlreiche erfolgreiche Praxisbeispiele, deren positive Wirkung auf unsere Gesundheit auch mit Studien belegt wurde. Trotzdem herrscht in der Medizinbranche und bei den Krankenkassen noch Zurückhaltung bei der Förderung dieser Ansätze. Doch es gibt Hoffnung. Zum Beispiel wird inzwischen die Spielekonsole memoreBox erfolgreich in der Gesundheitsprävention in Senioreneinrichtungen eingesetzt – finanziert durch die Barmer. Die Konsole enthält eine Sammlung von einfachen Videospielen, die allein durch Bewegungen gesteuert werden. Begleitstudien zeigten, dass regelmäßiges Spielen die Motorik, Ausdauer und Koordination der Seniorinnen und Senioren verbessert. Gleichzeitig sind die die Patientinnen und Patienten unabhängiger von Therapeuten-Terminen und langen Wartezeiten und können spielend ­zu Hause üben.

Die Barmer bietet das digitale Gesundheitstraining als Prävention für Senioren inzwischen bundesweit an.

Sollte die Förderung seitens der Gesundheitswirtschaft und Politik keine Eintagsfliege bleiben, könnten Health Games in den nächsten Jahren stark an Bedeutung gewinnen. Insbesondere Themen wie psychische Gesundheit, Prävention von Volkskrankheiten wie Diabetes oder Herzinfarkte, aber auch die Ergänzung zu herkömmlichen Therapieangeboten sind Anwendungsgebiete mit viel „spielerischem“ Potenzial.

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Virtual und ­Augmented Reality bereichern ­Serious Games

Virtual und Augmented Reality sind nicht mehr nur ein Thema für Gamerinnen und Gamer, sondern kommen immer mehr in der Mitte der Gesellschaft an. Viele Unternehmen experimentieren mit VR und AR – zum Beispiel um ihre Produkte zu präsentieren. Mit einer App des schwedischen Möbelkonzerns Ikea kann man schauen, wie sich ein Möbelstück in der eigenen Wohnung machen würde. Autobauer Audi bietet Kunden die Möglichkeit, jede beliebige Autokonfiguration virtuell zu begutachten. Auch für Serious Games ist diese Entwicklung interessant. So trainieren bei EPICSAVE Rettungssanitäter mit VR-Brillen die Behandlung eines akuten allergischen Schocks. Dieses Krankheitsbild ist eher selten und erfordert rasches Handeln. Mit traditionellen Lernmethoden lässt sich das dafür notwendige Handlungswissen aber nur eingeschränkt trainieren. Autobauer nutzen Virtual Reality darüber hinaus bei der Schulung des technischen Personals. Virtuelle Bauteile lassen sich schneller und kostengünstiger auseinander- und wieder zusammenbauen als echte. Und in der Chirurgie gibt es immer mehr Medizinerinnen und Mediziner, die vor komplizierten Eingriffen jeden Schnitt virtuell üben. Begünstigt werden diese Anwendungsmöglichkeiten durch Technologien, die immer besser, komfortabler und trotzdem auch günstiger werden.

Virtual und ­Augmented Reality helfen auch, Handlungsweisen zu erlernen, die sich ansonsten nur eingeschränkt trainieren lassen.

Zukunftsstatement

Linda Kruse über die ­Zukunft von Serious Games

Linda Kruse ist Game-Designerin und Gründerin von the Good Evil aus Köln.

 
Ich bin fest davon überzeugt, dass Serious Games in Zukunft sehr stark an Bedeutung gewinnen werden. Auch, weil ihr großes Potenzial zur Vermittlung von Wissen immer häufiger akzeptiert wird. Das zeigen auch die Ergebnisse der aktuellen game-Studie. Gerade für die junge Generation ist Game-basiertes Spielen längst ziemlich alltäglich. Was im Moment noch meistens außerschulisch stattfindet, wird in den nächsten Jahren zunehmend Teil des Schulunterrichts – nicht als Konkurrenz zu Schulbüchern oder klassischem Unterricht, sondern eher als zusätzliches und begleitendes Medium. Schon heute gibt es viele positive Beispiele für die sinnvolle Nutzung von Spielen zur Vermittlung und Festigung von Wissen. Auch in den Firmen wird sich dieser Trend weiter fortsetzen – nicht nur partiell, sondern als stetige Möglichkeit für lebenslanges Lernen. Ein unterschätztes Potenzial haben Serious Games aus meiner Sicht in der politischen Bildung und bei der Beantwortung von gesellschaftlich relevanten Fragestellungen. Mit ihnen lässt sich Demokratie erlebbar machen, lassen sich Lösungen für den Klimawandel ausloten und sogar neue Gesetze erproben. Man muss nur den Mut dazu haben.

Das große Potenzial von Serious Games zur Vermittlung von Wissen wird immer häufiger akzeptiert.
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Künstliche Intelligenz wird auch für Serious Games wichtiger

Künstliche Intelligenz in Videospielen ist keine neue Entwicklung. In immer komplexeren Spielwelten erwarten die Spielerinnen und Spieler sinnvolles Verhalten von den Charakteren. Für die angemessene Reaktion auf die Spielweise und das Können des menschlichen Spielers ist hochentwickelte künstliche Intelligenz nötig. Entsprechend weit sind die Spielehersteller. Immer wieder gelingt es künstlicher Intelligenz, professionelle Gamer zu schlagen – zuletzt geschehen bei StarCraft II und Dota 2. Das heißt, sie waren von den Zuschauern nicht mehr von menschlichen Spielern zu unterscheiden. Solche Erfolge haben auch Auswirkungen auf die Entwicklung zukünftiger Serious Games. Einerseits profitieren die Entwicklerinnen und Entwickler von den neuen Möglichkeiten, um Spielwelten und ihre Charaktere zu gestalten. Andererseits bietet künstliche Intelligenz auch die Chance, das Lernen an sich individueller zu gestalten. Zum Beispiel könnten sich Serious Games der Auffassungsgabe und dem Lernerfolg der Spielenden anpassen und individualisiertes Feedback zu Lernfortschritten geben. Eine Fähigkeit, die bislang Pädagoginnen und Pädagogen aus Fleisch und Blut vorbehalten war.

Künstliche Intelligenz bietet Entwicklerinnen und Entwicklern neue Möglichkeiten, Spielwelten und ihre Charaktere zu gestalten.

Zukunftsstatement

Dr. Stefan Göbel über die ­Zukunft von Serious Games

 
Dr. Stefan Göbel ist Head of Serious Games am ­Lehrstuhl Multimedia Kommunikation der TU Darmstadt.
 
Bei unseren Veranstaltungen im Rahmen des Projekts WTT Serious Games: Wissens- und Technologietransfer Serious Games erleben wir großes Interesse seitens der Unternehmen und Anwender. Vor allem in den Bereichen Bildung und Gesundheit werden Serious Games weiter an Bedeutung gewinnen. Gleiches gilt auch für den Bereich Aufklärung – über gesundheitliche Risiken zum Beispiel oder aber vernetzte Mobilität, Energie, Klima und Sicherheit. In welchem Umfang das geschieht, hängt aus meiner Sicht auch davon ab, wie stark sich etablierte Game-Studios in Zukunft an der Entwicklung von neuen Anwendungen beteiligen. Bisher sind Serious Games oft eher Nischenprodukte mit knappen Budgets. Das macht sie für Branchengrößen kaum attraktiv. Das ist ein großes Manko. Schließlich ist die Entwicklung von guten Serious Games eine große Herausforderung. Nicht nur die Story und das Gameplay müssen stimmen, sondern auch der pädagogische Hintergrund und die Vermittlungsformen. Ich glaube, erst wenn Serious Games auf dem Niveau von Unterhaltungstiteln entwickelt werden und die kreativsten Köpfe der Branche sich für dieses Genre interessieren, gibt es einen echten Qualitätssprung. Dieser würde nicht nur für mehr Akzeptanz bei Pädagoginnen und Pädagogen, Anwenderinnen und Anwendern sowie Institutionen und Unternehmen sorgen, sondern auch dabei helfen, die großen Potenziale von spielerischem Lernen wirklich auszuschöpfen. Dabei unterstützen natürlich auch neue technologische Möglichkeiten. Zum Beispiel könnte künstliche Intelligenz dabei helfen, die Spiele individueller an den Wissensstand und die Lernfortschritte der Nutzer anzupassen.

Wenn Serious Games auf dem Niveau von Unterhaltungstiteln entwickelt werden und die kreativsten Köpfe der Branche sich für dieses Genre ­interessieren, gibt es einen echten ­Qualitätssprung.

Foto Linda Kruse: the Good Evil GmbH
Foto Dr. Stefan Göbel: TU Darmstadt/WTT Serious Games