Health Games

Spielend gegen das Vergessen

Das Hamburger Studio RetroBrain R&D entwickelt Videospiele für Senioren. Die Konsole memoreBox soll sie auf spielerische Weise mobilisieren und die soziale Interaktion fördern.

Die Zahl der Senioren, die lieber zum Videospiel oder zur Spiele-App greifen als zur Apotheken Umschau, steigt stetig. So gibt es knapp zehn Millionen Silver Gamer in Deutschland, also Spielerinnen und Spieler über 50 Jahre. Doch Videospiele sorgen bei Senioren nicht nur für Abwechslung und Spaß, sie besitzen auch therapeutisches Potenzial. Genau das hat das Hamburger Unternehmen RetroBrain R&D schon vor einigen Jahren entdeckt. Es entwickelte gemeinsam mit Medizinern, Pflegewissenschaftlern und Altersforschern die Spielekonsole memoreBox. Die Zielgruppe der Ausgründung des gamelab.berlin sind Senioren, die an Demenz oder Parkinson erkrankt sind. Sie trainieren mit der Konsole ihre motorischen und kognitiven Fähigkeiten. Und das geht so: Die Spiele werden durch Bewegungen gesteuert, aufgezeichnet von einer Kamera an der Spielekonsole. Mit Gewichtsverlagerungen von einem auf das andere Bein steuert man ein Motorrad und trainiert sein Gleichgewicht. Ein Kegelspiel regt zu sozialer Interaktion und zur Bewegung an. Bei einem Postboten-Spiel müssen die Seniorinnen und Senioren ein Fahrrad lenken und gleichzeitig mit dem rechten und dem linken Arm Briefe austragen. Das schult Koordination und Feinmotorik. Alle Spiele sind an die betagte Zielgruppe angepasst. Die Level dauern nur wenige Minuten. Gespielt wird entspannt, ohne Druck und sowohl im Stehen als auch im Sitzen. Für jedes Spiel gibt es ein genaues Tutorial, das auch für Senioren mit Hör- oder Sehschwäche geeignet ist. Das Konzept basiert auf einem bewährten Ansatz aus der Gerontologie. Hier weiß man schon länger um die positiven Wirkungen von Spiel und Bewegung auf das kognitive Leistungsvermögen und die Verlangsamung des Krankheitsverlaufs. Allerdings übernehmen dieses Training vor allem Ergo- und Physiotherapeuten.

In Deutschland gibt es knapp 10 Millionen Silver Gamer – Spielerinnen und Spieler über 50 Jahre.

Als Konkurrenz zu herkömmlichen Therapieangeboten sehen die Entwickler ihre Konsole aber nicht. Es geht vielmehr darum, die Demenz-Therapie sinnvoll zu ergänzen, indem die Spiele Behandlungslücken ausgleichen und die Patienten zusätzlich zur Bewegung motivieren. Nicht jede Senioreneinrichtung kann sich tägliche Therapieangebote leisten und das Pflegepersonal hat im Alltag nur wenig Zeit für Gewichtsübungen oder Koordinationsaufgaben.

Videospiele sorgen bei Senioren nicht nur für Abwechslung und Spaß, sie besitzen auch therapeutisches Potenzial.

Mit der kleinen Box neben dem Fernseher können die Senioren dagegen selbstständig üben – mit großem Erfolg übrigens. ­Begleitende Studien der Berliner Humboldt-Universität, Charité und Alice Salomon Hochschule haben gezeigt, dass sich Motorik, Ausdauer und Koordination durch regelmäßiges Spielen verbessern. Auch die sozialen Bindungen und die Kommunikation in den Einrichtungen profitieren von einer memoreBox.

Die Barmer bietet das digitale Gesundheits­training als Prävention für Senioren inzwischen ­bundesweit an. Ein ­Novum auf dem deutschen Health-Games-Markt.

Die logische Konsequenz: Die Barmer bietet das digitale Gesundheitstraining als Prävention für Senioren inzwischen bundesweit an. Ein Novum auf dem deutschen Health-Games-Markt: Bisher sind Krankenkassen und große Medizintechnik-Unternehmen eher zurückhaltend bei der Unterstützung von therapeutischen Videospielkonzepten. Vor allem die Finanzierung und die hohen Hürden bei der Zulassung als Medizinprodukt schrecken viele Studios mit guten Ideen ab. Noch ein Grund zur Hoffnung: Zuletzt gab es für die memoreBox zusätzliche Unterstützung der Fernsehlotterie. Erstmals in der Geschichte der bekannten Soziallotterie wurde ein Serious Game gefördert.

Studien haben gezeigt, dass sich ­Motorik, Ausdauer und Koordination durch regelmäßiges Spielen verbessern.